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Urteil des BSG zur Nachbesserung durch Neuversorgung mit Zahnersatz

Newsbeitrag vom 18.05.2017

BSG ändert Rechtsprechung: Nachbesserungsrecht auch durch Neuversorgung

- Zum Nachbesserungsrecht bei fehlerhaftem Zahnersatz -

Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.5.2017 - B 6 KA 15/16 R -

Rügt der Patient die Mangelhaftigkeit einer Versorgung mit Zahnersatz, so stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, ob der Patient ohne Weiteres einen anderen Zahnarzt aufsuchen und sich dort neu versorgen lassen kann oder aber zunächst einmal Nachbesserung bei seinem bisherigen Behandler verlangen muss.

Da der Zahnarzt die Passgenauigkeit, insbesondere den einwandfreien Sitz des Zahnersatzes nicht immer auf Anhieb herbeiführen kann, räumt ihm die Rechtsprechung ein (dem Dienstvertrag an sich fremdes) Nachbesserungsrecht und dem Patienten einen Nachbesserungsanspruch gegenüber dem Zahnarzt ein (OLG Dresden, NJW-RR 2009, 30,31; OLG Karlsruhe, OLG-Report 2007, 654, 655; OLG Naumburg, NJW-RR 2008, 1056, 1058; OLG Koblenz, OLG-Report 2009, 816).

Wie weit dieser Nachbesserungsanspruch geht, wird immer wieder vor Gerichten diskutiert. So haben sich für eine Neuanfertigung von Prothesen bzw. Kronenversorgungen eine Reihe von Gerichten ausgesprochen, vgl. die Urteile:

OLG Dresden, NJW-RR 2009, 30, 31; LSG Bayern vom 29.11.1995 - L 12 Ka 504/92, LSG Schleswig-Holstein vom 23.08.1995 - L 9 Ka 61/94, SG Kiel vom 04.09.1998 - S 13 Ka 53/97, SG Hannover vom 23.02.2005 - S 35 Ka 1426/02 wie auch das SG Schwerin vom 15.4.2002 - S 3 KA 16/01; OLG Oldenburg vom 11.2.1997 - 5 U 164/96, Sozialgericht Kiel vom 26.01.2001 - S 13 Ka 597/99.

Am 10. Mai 2017 hatte sich nun das Bundessozialgericht mit dieser Frage zu befassen. Hintergrund war folgender Sachver halt:

Der beigeladene Zahnarzt gliederte einer Patientin eine Teilkrone ein, von der nach etwa 22 Monaten ein Stück abbrach. Die Patientin erklärte auf Nachfrage ihrer Krankenkasse, dass sie schon vor einiger Zeit den Zahnarzt gewechselt habe, weil zu ihrer Zahnärztin kein Vertrauensverhältnis mehr bestehe. Eine Nachbesserung durch diese sei ausgeschlossen. Ein zahnmedizinisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Teilkrone mangelhaft gearbeitet und neu anzufertigen sei.

Die beklagte KZV lehnte die Erstattungsforderung der Krankenkasse mit der Begründung ab, dass die beigeladene Zahnärztin zur Nachbesserung bereit gewesen sei und dass der Versicherten eine erneute Behandlung durch die Zahnärztin auch zumutbar gewesen wäre. Gründe für einen Vertrauensverlust seien nicht nachvollziehbar.

Das Bundessozialgericht hat in der Entscheidung vom 10. Mai 2017 zur bisherigen Rechtslage festgehalten:

"In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Regressanspruch in Fällen, in denen ein Mangel durch Nachbesserung beseitigt werden kann, nur besteht, wenn dem Versicherten die Nachbesserung durch den bisher behandelnden Zahnarzt nicht zugemutet werden kann, weil das erforderliche Vertrauensverhältnis (z.B. nach mehreren erfolglosen Nachbesserungsversuchen) nicht mehr besteht. Für Fallkonstellationen, in denen eine Nachbesserung nicht möglich, sondern eine Neuanfertigung des Zahnersatzes erforderlich ist, hat der Senat bezogen auf Zeiträume vor der Einführung der Gewährleistung u.a. für Zahnersatz im SGB V entschieden, dass es für den Regressanspruch nicht auf die Zumutbarkeit für den Versicherten ankommt."

Diese bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes wurde nunmehr durch den 6. Senat aufgegeben. Der Senat hat hierzu festgehalten:

"Auch wenn der Mangel nur durch Neuanfertigung des Zahnersatzes behoben werden kann, setzt ein Regressanspruch voraus, dass es dem Versicherten unzumutbar ist, den Mangel durch den erstbehandelnden Zahnarzt beheben zu lassen. Das Recht der freien Arztwahl des Versicherten ist insoweit beschränkt. Allerdings ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit für den Versicherten der besonderen Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Zahnarzt und Patient Rechnung zu tragen. Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe lagen nach den bindenden Feststellungen des LSG hier jedoch keine Gründe für eine Unzumutbarkeit vor."

Damit zieht auch das Bundessozialgericht eine Nachbessrung durch Neuversorgung in Betracht.

Dr. Detlef Gurgel
Fachanwalt für Medizinrecht
Ratajczak & Partner, Sindelfingen
gurgel@rpmed.de

Unter Bezugnahme auf den Terminbericht des BSG vom 11.05.2017 Nr. 16/17 - veröffentlicht in DZW vom 17.05.2017 - Ausgabe 20/2017